1931 konnte Sally Daniel, der Inhaber des Kaufhauses an der Kaiserstraße 29/31 (heute Horster Straße), das 25jährige Geschäftsjubiläum feiern. Das "bestrenommierte" Kaufhaus, wie es die damalige Zeitung nannte, war "eines der größten und angesehensten Geschäfte Gladbecks". Daniel verkaufte seit der Eröffnung am 22. Februar 1906 Textilwaren, Betten, Teppiche und Gardinen.
Gladbecker Zeitung, 21. Februar 1906. (Stadtarchiv Gladbeck)
Sally Daniel, geboren am 26. April 1879 in Großmaischeid (Neuwied, Rheinland-Pfalz), war nach seiner Lehre in Süddeutschland und Tätigkeiten in verschiedenen Häusern - auch in Duisburg und Gelsenkirchen - 1906 nach Gladbeck gekommen. Er war verheiratet mit Klara Franken, geboren am 31. Mai 1878 in Geldern. Mit ihr hatte er vier Töchter: - Liselotte, geboren am 27. November 1907 in Gladbeck, verstorben am 24. April 1908 in Gladbeck, - Ilse, geboren am 19. Oktober 1908 in Gladbeck, am 22. Dezember 1933 verstorben in St. Blasien, - Grete, geboren am 14. Januar 1911 in Gladbeck, 1988 verstorben in Israel, - Lore, geboren am 6. März 1921 in Düsseldorf, verstorben 1999.
Das Geschäftshaus eröffnete Daniel zunächst im Parterre und im ersten Stock des angemieteten Hauses Kaiserstr. 31. 1928 durfte er die Wände zu seinem eigenen Haus Nr. 29, das er 1918 gekauft hatte, durchbrechen und das Geschäft im Parterre erweitern. Die Einrichtung wurde erneuert und modernisiert. Anfang der 1930er Jahre beschäftigte Daniel 65-70 Angestellte, seine Frau war ebenfalls in der Geschäftsführung tätig. Der Kaufmann war in der Gladbecker Gesellschaft sehr angesehen. In mehreren Vereinen war er aktiv tätig, u.a. im Vorstand der Vereinigten Kaufmannschaft, die er mitbegründet hatte, und im Verkehrsverein. Auch auf der Mitgliederliste der Gesellschaft "Plattdütscher Zoologen" ist sein Name 1932 zu finden. Im Vorstand der Jüdischen Gemeinde wirkte er ebenfalls mit. Politisch engagierte er sich für die linksliberale DDP.
Das Kaufhaus Gebrüder Daniel am Marktplatz kurz nach der Eröffnung 1906. (Stadtarchiv Gladbeck)
Mit der Machtübernahme Hitlers nahm auch in Gladbeck die Hetze gegen die jüdische Bevölkerung zu. Systematisch wurden die jüdischen Geschäfte wie Daniels Kaufhaus boykottiert, die Kunden wurden bedroht und fotografiert, um sie so von ihren Einkäufen bei jüdischen Kaufleuten abzuhalten. Anfang 1936 sah Daniel sich gezwungen, sein Geschäft aufzugeben. Er vermietete die Geschäftsräume an die Firma Strack & Co. GmbH; die Einrichtung und das Warenlager musste er unter Wert an sie verkaufen. Die Gesellschafter dieser Firma, Hans Hellenthal und seine Frau Maria Strack, eröffneten dort bereits am 18. Januar 1936 ihr Fachgeschäft für Damenmoden und Textilwaren. Anlässlich der "Arisierung" hielt die NSDAP in den Geschäftsräumen einen Gefolgschaftsappell unter Teilnahme des NSDAP-Kreisleiters Gustav Bockermann und anderen NS-Repräsentanten ab. Daniel wurde im Januar 1939 genötigt, das bis dahin noch in seinem Besitz befindliche Grundstück mit Wohn- und Geschäftshaus Kaiserstraße 29 an die Firma Walter Pool & Co. zu verkaufen. Den Kaufvertrag schloss er mit einem weiteren Mitglied der Familie Hellenthal ab: Peter Hellenthal, Alleinvertretungsberechtigter dieser Firma, außerdem Schwager von Walter Pool und Gesellschafter von Strack & Co. Maria Strack und ihr Mann Hans Hellenthal hatten ihre Anteile an der Firma Strack & Co. bereits im Dezember 1937 an Walter Pool und Peter Hellenthal abgetreten. Sally Daniel wurde nach einem Rückerstattungsverfahren 1951 von beiden Firmen entschädigt.
Sally Daniel zog im März 1936 mit seiner Familie nach Köln-Sülz. Im August 1939 gelang ihnen zunächst die Flucht nach England, bevor sie nach Israel auswanderten. Sally Daniel verstarb am 21. Mai 1955 in Israel.
Das Kaufhaus nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges
1952 stellte das Kaufhaus Strack & Co. seinen Betrieb ein. Neuer Inhaber wurde Alexander Schönhoff, der das Haus 1966 mit einem Durchbruch zur Horster Straße 27 erweitern konnte. Bereits ein Jahr später erfolgte die Verkleidung der oberen Fassade mit Aluminium, wofür die Balkone und Erker entfernt wurden. 1977 zog der Textilhandel Peek & Cloppenburg ein und führte die Filiale bis 2007. Das danach meist leer stehende Gebäude wurde 2015 abgebrochen. Bis 2017 wurde der Neubau eines Wohn- und Geschäftshauses durch die Jockenhöfer und Babiel GmbH errichtet.
Katrin Bürgel
Quellen Stadtarchiv Gladbeck: - Bauakten Horster Straße 27-31, - Hausstandsbuch Horster Str. 31, - Mitgliederliste der Gesellschaft "Plattdütscher Zoologen", 1932, StA Gla, S 88, - Zeitungsannonce zur Eröffnung des Kaufhauses Gebrüder Daniel, Gladbecker Zeitung, 22.2.1906, - Zeitungsartikel "Silbernes Geschäftsjubiläum des Kaufhauses Gebr. Daniel", 20.2.1931, StA Gla, S 81, - Zeitungsannonce zur Eröffnung von "Strack & Co.", Gladbecker Volkszeitung, 16.1.1936, - Zeitungsartikel "Nun nicht mehr jüdisch", National-Zeitung, 19.1.1936.
- Amtsgericht Gladbeck, Grundbuch und Grundakte Horster Str. 29, - Landesarchiv NRW, Rep. 324, Nr. 814, 834, 835, 3345.
Literatur: - Weichelt, Rainer: Gladbeck. - In: Historisches Handbuch der jüdischen Gemeinschaften in Westfalen und Lippe, hrsg. von Freund, Susanne / Jakobi, Franz-Josef / Johanek, Peter, Münster 2008, S. 363-373.