Die Erzählungen über Bergbau und die Stahlindustrie sind in erster Linie Geschichten über harte Arbeit und technischen Fortschritt. Frauen kommen darin kaum vor. An welchen Orten im Ruhrgebiet haben sie gearbeitet und welche Geschichten können wir über sie erzählen? In seiner neuen Sonderausstellung widmet sich das Museum der Stadt Gladbeck, Burgstr. 64, ab dem 12. Oktober den Frauen und ihrer Arbeit in der Bekleidungsindustrie im Kreis Recklinghausen.
In der Zeit nach dem zweiten Weltkrieg war die Bekleidungsindustrie einer der wichtigsten Arbeitgeber für Frauen. Unmittelbar nach Kriegsende hatten sich in fast allen Städten des Kreises Recklinghuasen und in Gelsenkirchen Textilbetriebe und Bekleidungsunternehmen angesiedelt. Auf dem Höhepunkt der Konjunktur in dieser Branche waren mehrere Tausend Menschen dort beschäftigt, davon ca. 80 % Frauen.
Die Gechichte dieser Industrie und ihre Bedeutung als Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte für Mädchen und Frauen im nördlichen Ruhrgebiet wurden bisher kaum aufgearbeitet. Man könnte auch von "vergessenen Frauenarbeitsplätzen" sprechen. Der Arbeitskreis Recklinghäuser Frauengeschichte untersucht seit mehr als 10 Jahren die Lebens- und Arbeitserfahrungen von Frauen im nördlichen Ruhrgebiet. In den letzten Jahren standen vor allen Dingen die Bekleidungsindustrie in Recklinghausen und die dort arbeitenden Frauen im Mittelpunkt des Interesses. Herausgekommen ist eine Ausstellung mit vielen Geschichten zu einem wichtigen Arbeitsbereich von Frauen in der Nachkriegszeit.
Erweitert wird diese Ausstellung um die Geschichte und die Geschichten rund um die Gladbecker Fimra Heinrich Buschfort. In den Zeiten des Wirtschaftswunders und Strukturwandels war das Bekleidungsunternehmen, das 1948 gegründet wurde und bis zu 800 Menschen beschäftigte, ein bedeutender Wirtschaftsfaktor für die Stadt Gladbeck. Nach dem Konkurs der Firma 1975 wurde das Unternehmen bei Verkleinerung der Produktion und Konzentration auf den Stammsitz, zuletzt als Einzelhandelsgeschäft bis 2008 weitergeführt.
In Recklinghausen wie in Gladbeck ist es gelungen, Zeitzeugen zu finden, die in den Bekleidungsfabirken gearbeitet haben und z.T. dort auch ausgebildet worden sind. Einige von ihnen haben unmittelbar in der Nachkriegszeit dort gearbeitet, andere waren bis in die 1990er Jahre dort tätig. Die Ergebnisse der Gespräche mit den Frauen werden durch Dokumente wie IHK-Zertifikate, Zeugnisse, Fotos und andere Exponate rund um die Bekelidungsindustrie ergänzt.
Ziel dieser Ausstellung ist es, ein bisher nur selten erzähltes Kapitel der regionalen Geschichte in Erinnerung zu rufen. Darüber hinaus soll eine Würdigung der Lebensleistung der in der Bekleidungsindustrie beschäftigten Menschen, insbesondere der Frauen, sein.
Termine für öffentliche Führungen und weitere begleitende Angebote werden auf der Museumshomepage, in den sozialen Medien sowie in der Tagespresse bekannt gegeben.
Foto. Gabriele Kraft arbeitete als Industrienäherin bei der Gladbecker Firma Buschfort, 1976, Fotonachweis: Gabriele Kraft