Gräberfeld für Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter auf dem Friedhof Gladbeck-Brauck Zwangsarbeit
Die Einberufung deutscher Arbeitskräfte in die Wehrmacht während des Zweiten Weltkrieges hatte einen ansteigenden Arbeitskräftemangel zur Folge. Insbesondere für die kriegswichtigen Zweige wie die Rüstungsunternehmen und den Bergbau wurden daher ausländische Arbeiter in den verbündeten und besetzten Staaten angeworben. Um der meist hohen Arbeitslosigkeit in ihren Heimatländern zu entgehen, ließen sich die Arbeiter von Versprechungen hoher Löhne anlocken. Jedoch konnte der Arbeitskräftemangel mit der Anzahl der freiwilligen ausländischen Zivilarbeiter nicht gedeckt werden. Bereits 1939/1940 wurden vor allem Menschen aus Polen zwangsweise rekrutiert und nach Deutschland deportiert. Sie und sämtliche "Ostarbeiter" standen im Gegensatz zu den westeuropäischen Völkern in der nationalsozialistischen Wertehierarchie der Rassenideologie ganz unten und wurden als "minderwertig" angesehen. Daher mussten sie weit mehr unter miserablen Arbeits- und Lebensbedingungen leiden: Sie bekamen weniger Nahrung mit einer geringeren Lebensmittelqualität, zudem erhielten sie Rationen je nach Leistung, waren arbeits- und sozialrechtlich schlechter gestellt und durften ihre Interessen nicht in Gewerkschaften vertreten. Selten erhielten sie eine ordentliche Einweisung in ihre Tätigkeit, Möglichkeiten zur Weiterbildung bestanden für sie nicht. Nicht nur Zivilarbeiter wurden als Zwangsarbeiter rekrutiert, auch Kriegsgefangene, Häftlinge aus Konzentrationslagern und Juden mussten "Arbeitseinsätze" vor allem in der Landwirtschaft, in verschiedenen Industriezweigen, im Bergbau, bei der Trümmerbeseitigung und der Instandsetzung von Gebäuden leisten. Nicht nur Männer, sondern auch Frauen und Kinder wurden ausgebeutet.
Russische Kriegsgefangene beim Essenfassen auf der Hochstraße, April 1943. (Quelle: Stadtarchiv Gladbeck)
In umzäunten Lagern, die oft überbelegt waren, lebten sie unter unmenschlichen Bedingungen. Kontakt mit Außenstehenden war verboten. Arbeitsverweigerungen, Krankmeldungen und geringe Arbeitsleistungen führten zu immer brutaleren Diskriminierungen: Prügel, Misshandlungen, Kürzungen der Nahrungsmittel, Einsätze in Arbeitserziehungslagern. Im Ruhrbergbau wurden zunehmend seit 1942/1943 "Ostarbeiter" und sowjetische Kriegsgefangene eingesetzt. Sie litten unter den härtesten und schwersten Arbeits- und Lebensbedingungen, denen Zwangsarbeiter in Deutschland je ausgesetzt waren. Im Vergleich zu Westarbeitern erhielten "Ostarbeiter" nur 28 Prozent des Lohnes, sowjetische Kriegsgefangene sogar nur sechs Prozent. Insgesamt leisteten rund 8,5 Millionen zivile Arbeitskräfte, fast 4,5 Millionen Kriegsgefangene und etwa 700.000 KZ-Häftlinge Zwangsarbeit.
Zwangsarbeit in Gladbeck
Die fünf Zechen in Gladbeck beschäftigten Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter ebenso wie Gladbeck Firmen (Sägewerk Küster, Baufirmen Backhaus, Brauckmann und Braunsteiner), landwirtschaftliche Betriebe, Handwerksbetriebe, das St. Barbara-Krankenhaus und die städtische Müllabfuhr. Die ausländischen Zivilarbeiter und Kriegsgefangenen lebten hauptsächlich in 28 Lagern im gesamten Stadtgebiet, meist nahe der Zechen. Namentlich bekannt sind 14.279 Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter, vermutlich waren es weitaus mehr. Zur Anzahl der Zwangsarbeiter nach Nationalität siehe hier.
Wenngleich die Nationalsozialisten Kontakt zur deutschen Bevölkerung verhindern wollten und die Zwangsarbeiter daher in den meist in Wohngebieten befindlichen Lagern möglichst abschotteten, gab es vereinzelte Hilfe von Gladbecker Bürgerinnen und Bürgern. Sie versorgten gelegentlich die Gefangenen heimlich mit Nahrungsmitteln. Mangelnde hygienische Bedingungen, Hunger, Kälte, schwere körperliche Arbeit und fehlende ärztliche Versorgung führten häufig zu Krankheiten und nicht selten zum Tod. Auch durch die veränderte militärische Lage mit zunehmenden Bombenangriffen waren viele Todesopfer unter den Zwangsarbeitern zu beklagen, denn ihnen war es nicht erlaubt, Schutzräume aufzusuchen. Etwa 800 Zwangsarbeiter und Zwangsarbeiterinnen sowie ihre Kinder sind auf den Gladbecker Friedhöfen außerhalb der allgemeinen Gräberreihen auf eigenen Gräberfeldern bestattet. Geistliche durften bei den Beerdigungen nicht anwesend sein.
Nina Nesterowna am Grab ihrer Mutter Feodosia auf dem Friedhof Gladbeck-Brauck, Herbst 1944. (Quelle: Stadtarchiv Gladbeck)
Cornelius B berichtete 1988 über seine Zeit als Zwangsarbeiter in Gladbeck 1941-1945: "Ich bin am 17. Mai 1916 in Lenzeschti, KRS. Charnowitz, das damals noch zu Österreich gehörte, geboren. Im Jahre 1918 - soweit ich mich erinnere - kam meine Heimat zu Rumänien. Mein Heimatort wurde während des Hitlerkrieges von den deutschen Soldaten besetzt. Im Jahre 1941 wurde ich zwangsweise nach Deutschland deportiert und kam zunächst in das Arbeitslager Kolomea, wo ich ca. drei Monate verblieb. (...) Im Oktober 1941 wurden wir nach Gladbeck in das Lager am Luftschacht, Maria-Theresien-Str. 9, transportiert. Wir wurden von den uniformierten Wachleuten bewacht. Darunter befand sich ein gewisser Wilhelm P., der damals in Gladbeck auf der Möllerstraße wohnte und sehr grausam war; er hat nicht nur mich, sondern auch andere Arbeitskameraden mit einem Gummiknüppel geschlagen. Ich habe von den Misshandlungen heute noch eine Narbe in der linken Gesichtshälfte. Der P. wurde nach dem Zusammenbruch des Hitlerstaates Amerikanern übergeben, die Gladbeck besetzt hatten; er soll wegen Verbrechens gegen die Menschlichkeit verhaftet worden und inzwischen bestraft worden sein. (...) Von Oktober 1941 bis zum Einmarsch der Amerikaner wurde ich täglich unter Bewachung zur Arbeit in der Grube der Möllerschächte in Gladbeck gebracht. Die Wachmannschaften haben meine Landsleute und die anderen Insassen des Arbeitslagers schlecht behandelt und uns häufig geschlagen. Wir bekamen auch nicht genug zu essen und mussten Hunger leiden, so dass ich häufig Magen- und Kopfschmerzen hatte. Ich bin infolgedessen krank geworden, hatten Lungen-TB sowie Magen- und Leberleiden. (...) Schon in den Jahren 1941-1945 fühlte ich mich gesundheitlich sehr schlecht, so dass ich den Arzt aufsuchte. Dieser schrieb mich aber immer arbeitsfähig, obwohl ich viele Geschwüre am Körper hatte. (...) Als ich im Jahre 1950 mit Hilfe der internationalen Flüchtlingsorganisation auswandern wollte, wurde ich von der Medizinalbehörde der IRO in Münster untersucht. Der Arzt stellte fest, dass ich infolge meines Gesundheitszustandes für die Auswanderung untauglich war." Cornelius B. arbeitete nach 1945 auf den Möllerschächten in Gladbeck. Zu Beginn der 1960er Jahre wurde er aufgrund der während der Zwangsarbeitszeit erlittenen körperlichen Schwächungen erwerbsunfähig. Bis zu seinem Tod im Jahre 1989 lebte er unweit des ehemaligen Zwangsarbeiterlagers in Ellinghorst. Heimisch ist er sein Leben lang nicht geworden. (entnommen aus der Ausstellung "Zwangsarbeit in Rheinland und Westfalen 1939-1945", Historisches Centrum Hagen 2002, Gladbecker Zusatzmaterial.)
Katrin Bürgel
Quellen im Stadtarchiv Gladbeck: - Hausstandsbücher - Zwangsarbeiter-Kartei - Namenslisten der in Gladbeck beschäftigten Zwangsarbeiter (Bestand C)
Die Ausstellung "Zwangsarbeit in Rheinland und Westfalen 1939-1945" des Historischen Centrums Hagen 2002 ist unter http://www.nrw-zwangsarbeit.de/ abrufbar. Eine CD mit Gladbecker Zusatzmaterial kann im Stadtarchiv ausgeliehen werden.
Literatur: - Menne, Holger / Farrenkopf, Michael (Bearb.): Zwangsarbeit im Ruhrbergbau während des Zweiten Weltkrieges. Spezialinventar der Quellen in nordrhein-westfälischen Archiven. Bochum 2004. - Niewerth, Andrea /Weichelt, Rainer: Zwangsarbeit im NS-System - auch in Gladbeck. - In: Verkehrsverein Gladbeck e.V. (Hg.): Gladbeck unsere Stadt, Heft 1, 33 (2005), S. 15-18. - Spoerer, Mark: Zwangsarbeit unter dem Hakenkreuz. Ausländische Zivilarbeiter, Kriegsgefangene und Häftlinge im Deutschen Reich und im besetzten Europa 1939-1945. Stuttgart 2001. - Tenfelde, Klaus / Seidel, Hans-Christoph (Hg.): Zwangsarbeit im Bergwerk. Der Arbeitseinsatz im Kohlenbergbau des Deutschen Reiches und der besetzten Gebiete im Ersten und Zweiten Weltkrieg. 2 Bde., Essen 2005. - Urban, Thomas: Migration und Zwangsarbeit: Der Ruhrbergbau 1940 bis 1945. In: Westfälische Forschungen 59/2009, S. 163-186. - Urban, Thomas: Überleben und Sterben von Zwangsarbeitern im Ruhrbergbau. Münster 2002.